Berühmte behinderte Frauen
Pascale Noa Bercovitch (*1967)
von Anneliese Mayer
Vor drei Jahren stand ihr Buch monatelang auf der Bestsellerliste. Die wahre Geschichte über den jungen Beduinen Abid‘allah und das Delphinweibchen Oline erwärmte rasch die Herzen vieler TierliebhaberInnen. Abid‘allah hat als kleiner Junge durch einen Sturz weitgehend sein Gehör verloren und spricht nicht mehr. Der intensive Kontakt zu dem frei im Roten Meer lebenden Delphin hilft ihm, wieder seine Sprache zu finden. Daneben weiß der junge Mann seine Freundschaft zu dem Delphin gut zu vermarkten. Unterstützt wird er dabei von der in Israel lebenden Französin Pascale Noa Bercovitch, der Autorin des Buches „Das Lächeln des Delphins“, das sicherlich weitere Ströme von Touristen an den Sinai gelockt hat. In diesem Buch stellt Pascale Noa Bercovitsch sich selbst kurz vor und verheimlicht nicht, dass sie behindert ist:
„Sie (lachende, kleine Burschen/A.M.) drängen sich aneinander und sind überrascht und beeindruckt von den Sachen, die ich aus meinem Auto hervorhole: meinen Rollstuhl und die Rucksäcke, die ich daran befestige. Seit dem 13. Dezember 1984 ist dieser Rollstuhl stets bei mir. Es war in Frankreich, ich war 17 Jahre alt und bereitete mich gerade aufs Abitur vor. In diesem Winter gab es den Kälterekord des Jahrzehnts. Auf dem Weg zur Schule glitt ich mit dem Fahrrad auf einer vereisten Pfütze aus, wurde vom Luftstrom eines Zuges erfasst und unter den vorletzten Waggon gezogen. Der Alarm brachte den Zug erst fünfzig Meter weiter zum Stehen. Ich lag zwischen den Gleisen und hatte keine Beine mehr: Sie waren von den Oberschenkeln bis hinunter zu den Füßen zerquetscht. Meine Größe von 1,65 Meter war durch die Gewalt eines Zuges auf genau einen Meter verringert worden: Ich bin jetzt genauso groß wie der Abstand zwischen zwei Gleisen. Französische Norm. Heute bewege ich mich also im Rollstuhl fort, er wiegt acht Kilo, ich 41, und zusammen haben wir ein ordentliches Gewicht. Seit meinem Unfall sehe ich die Welt aus der Perspektive eines zehnjährigen Kindes. Das verschafft mir zuweilen einen recht außergewöhnlichen Blick auf unseren Planeten.“ (S. 17f)
Bei dieser Schilderung des Unfalls gibt es einige bedeutende Abweichungen zu einer anderen Version. Ich gehe davon aus, dass es sich um Übersetzungsfehler handelt. (Wie das Buch überhaupt sprachlich eine Katastrophe ist!) Eher nachvollziehbar ist, dass Pascale Noa sich an jenem denkwürdigen Tag ziemlich verspätet hat, als sie zur Schule unterwegs ist. Sie läuft dem bereits anfahrenden Zug hinterher und versucht, aufzuspringen. Während sie sich schon an die Haltegriffen festhält, rutscht sie über eine Eispfütze, ihre Beine gleiten ihr weg und geraten unter die Räder.
Das alles geschieht in dem kleinen Städtchen Anger an der Loire, wo Pascale Noa bei ihren Eltern, einer Psychologin und einem Philosophieprofessor, lebt. Die Eltern sind Juden, und die Tochter hegt schon lange vor dem Unfall den Wunsch, nach Israel auszuwandern. Und nichts kann sie von ihrem Plan abhalten, auch nicht der Verlust beider Beine. Einen Monat nachdem sie im Sommer 1985 in der Klinik ihr Abitur abgelegt hat, ist sie in Israel – und tritt dort in die Armee ein. Sie trägt inzwischen Prothesen. Während ihrer Zeit in der Armee kümmert sie sich um verwundete Soldaten und übernimmt die Rolle eines Peer, um ihnen wieder Mut zu machen.
Pascal Noa Bercovitch ist eine Frau, die weiß, was sie will. Sie studiert Geschichte und Psychologie in Haifa und beginnt ihre Karriere als Fernsehjournalistin. U.a. begleitet sie die israelische Nationalmannschaft der Schwimmer zu den Paraolympics nach Syndey und dreht eine Dokumentation über deren sportlichen Leistungen. In dieser Sportart ist sie selbst sehr trainiert. Allmählich freundet sie sich auch mit dem Rollstuhl an. So eindeutig bejahend, wie sie es in „Das Lächeln des Delphins“ beschreibt, ist ihr Verhältnis zu diesem Fortbewegungsmittel vor Jahren noch nicht gewesen. Als sie in Paris für das Fernsehen arbeitet, schnallt sie sich die Prothesen an, von denen sie drei Paar besitzt, „um Schritt zu halten mit den Kollegen.“ Und dann gibt es noch die Geschichte, wie sie eine Woche lang mit drogen-abhängigen Jugendlichen durch die Wüste wandert, mit Ledermanschetten an den Beinstümpfen, um ihnen zu demonstrieren, dass auch sehr große Schwierigkeiten mit einem starken Willen über-wunden werden können. Mit Gael, ihrem Freund und Vater ihrer zweijährigen Tochter Eden, pflegt Pascale Noa eine Wochenendbeziehung. Er ist Unternehmensberater in Paris und sie lebt und arbeitet in Tel Aviv. Vor einem Jahr kandidierte Pascale Noa Bercovitch für die Grünen um einen Platz im israelischen Parlament. Da sie auf einem der vorderen Listenplätze stand, ist anzunehmen, dass sie heute die Politik in ihrer Wahlheimat mit beeinflusst.
Literatur:
STERN 2/2003: „Ich sitze auf einer Mauer, ganz ohne Beine und ich lache“. Bericht von Ursula Neuhauser
Pascale Noa Bercovitch; „Das Lächeln des Delphins. Die Geschichte einer wunderbaren Freundschaft.“ Ullstein Taschenbuchverlag. München 2001
Pascale Noa Bercovitch: „Die Botschaft der Tiere. Wie sie unser Leben bereichern“. Ullstein-Verlag. München 2001
* Anmerkung der Redaktion: Das Buch von Pascale Noa Bercovitch „Das Lächeln des Delphins“ gibt es auch auf Hörcassetten
aus WeiberZeit Nr. 2/Januar 2004 I I www.weibernetz.de/weiberzeit.html
Erscheinungsweise: vierteljährlich
Herausgeberin
Weibernetz e.V. - Projekt „Politische Interessenvertretung behinderter Frauen“
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