Berühmte behinderte Frauen

Maxie Wander (1933 –1977)

Schriftstellerin

 

von Anneliese Mayer

 

Maxie Wander

Ihr Talent war es, rückhaltlos  freundschaftliche Beziehungen zwischen Menschen herzustellen; ihre Begabung, andere erleben zu lassen, daß sie nicht dazu verurteilt sind, lebenslänglich stumm zu bleiben. Christa Wolf im Vorwort zu „Guten Morgen ,du Schöne“

 

Als ich im Sommer 2005 las, dass Gesine Meerwein an Krebs gestorben ist, erinnerte ich mich spontan an zwei Frauen, die in den siebziger und achtziger Jahren ihre Krebserkrankung zu einem öffentlichen Thema machten. Während Gesine Meerwein aufgrund ihres Berufs das Medium Film benutzte, um die Ängste, die Unsicherheit, die Hoffnung, den Kampf und die Verzweiflung krebskranker Frauen zu schildern, war es bei ihren Vorgängerinnen das geschriebene Wort, durch das sie sich mitteilten. Beide Frauen waren Schriftstellerinnen und beide hatten eine Behinderung, die jedoch auf den ersten Blick nicht zu erkennen war: Maxie Wander und Audre Lorde.

 

Die erste, deren Tagebuchaufzeichnungen über den Verlauf ihrer Krebserkrankung veröffentlicht wurden, war Maxie Wander. Vor dreißig Jahren, am 14. September 1976, wurde Maxie Wander an der Berliner Charitè nach der Diagnose Krebs die rechte Brust abgenommen. Sieben Wochen später erfolgt eine weitere OP, bei der ihr die Eierstöcke entfernt werden. Danach beginnt die Prozedur der Bestrahlung. Die Tagebucheintragungen und die Briefe an Freunde und Verwandte berichten über ihre Erlebnisse mit den Mitpatientinnen und Ärzten. Sie berichtet über ihre Schuldgefühle („...was mit mir passiert, ist der Preis – wofür? Für Übermut und Anmaßung? Oder?“/17. Sept. 1976 ), dem mangelnden Respekt vor der Patientin als eigenständige Person („...eine Patientin, die Bescheid wissen will, die alles beobachtet und registriert und Fragen stellt – darauf sind die Ärzte sehr wenig vorbereitet.“/ 27. Okt. 1976.) und dem Ausgeliefertsein. („Die letzte Nacht war das Schlimmste, was ich an Angst und Schmerzen erlebt habe.“/8. Nov. 1976) Unmittelbar bevor Maxie Wander erfuhr, dass der ertastete Knoten in der Brust tatsächlich Krebs war, hatte sie die Arbeit an ihrem Buch „Guten Morgen, du Schöne“ beendet. Diese Tonbandinterviews mit Frauen aus der DDR, die ihren Alltag in Familie und Beruf erzählen, sollte ein Kultbuch werden. Die Geschichten der siebzehn interviewten Frauen dokumentieren, dass auch die sozialistische DDR von der Emanzipation der Frauen noch weit entfernt ist. Maxie Wander bekam in den letzten Monaten, bevor sie am 20. November 1977 starb, noch die große Resonanz auf ihr Buch mit. Sie erhielt zahlreiche Briefe von Frauen und wurde zu Kultursendungen eingeladen. Vor öffentlichen Auftritten hatte sie Angst. So schreibt sie am 9. Juni 1977 in einem Brief: „Der Gedanke, vor fremden Leuten eine öffentliche Show abzuziehen, mit Autogrammstündchen hinterher und so, das läßt mich erschauern. Und öffentliche Blamage hat mir der Doktor nun wirklich nicht verschrieben.“ Die öffentliche Blamage sah sie auf sich zukommen, wenn sie sprechen würde. Sie stotterte heftig, sobald sie in Aufregung geriet oder alle Blicke auf sich gerichtet fühlte.

 

Sie meinte, sich für ihre Behinderung entschuldigen zu müssen, als ob es ihre Verschulden wäre: „Ich wollte Ihnen noch ein paar Worte zu Ihrem Besuch sagen, auch um Entschuldigung bitten für mein Gestotter.“ (Brief vom 17. Oktober 1977) Dennoch erwähnt Fred Wander in seiner Autobiografie, dass seine Frau ihr Stottern „oft unterdrücken und dann wieder geschickt einsetzen konnte“. Das Letztere kann man sich bei der selbstironischen Art der lebhaften Maxie im privaten Bereich gut vorstellen. Diese Sprachbehinderung hatte sie seit ihrer Kindheit. Es wird angenommen, dass das Stottern aufgrund der hohen psychischen Belastung auftrat, die das Spannungsfeld zwischen dem kommunistischen Elternhaus und der nationalsozialistisch geprägten Schule für das kleine Mädchen darstellte.

 

Biografische Daten zu Maxie Wander

Am 3. Januar 1933 als Tochter der Arbeiter Alois und Käthe Brunner geboren. Sie bekommt den Namen Elfriede – wird jedoch Fritzi oder Maxie gerufen.

1933 - 1950 Kindheit und Schulbesuch im Wiener Arbeiterbezirk Hernals.

1950 - 1952 vorzeitiger Abbruch der Schule, verschiedene Jobs in einer Kartonagefabrik, als Kassiererin am Theater, als Sekretärin im Wiener Friedensrat.

Dezember 1952 lernt Maxie den 16 Jahre älteren jüdischen Schriftsteller Fred Wander kennen.

13. Juli 1956 Heirat mit dem mittlerweile von seiner ersten Frau geschiedenen Wander.

12. Oktober 1957 Geburt der Tochter Kathrin („Kitty“).

März 1958 Übersiedlung in die DDR, nach Kleinmachow bei Berlin.

1962/1963 mehrwöchige Aufenthalte in Paris. Maxie Wander unterstützt die Arbeit ihres Mannes: tippt Manuskripte und fotografiert für seine Reisebücher; übt verschiedene Tätigkeiten als Sekretärin, Bibliothekarin, Redakteurin und Drehbuchautorin.

Das Heimkind Roberto („Berty“) wird in die Familie aufgenommen.

Januar 1966 Geburt des Sohnes Daniel.

Mai 1968 Tod der Tochter „Kitty“ nach einem Sturz in eine Baugrube. Nachfolgend häufige Schwächeanfälle, Gleichgewichtsstörungen und cholerische Ausbrüche

1975 Beginn der Arbeit für die Tonbandprotokolle; Interviews mit Frauen.

Sommer 1976 Diagnose von Brustkrebs; Operation an der Charité, weitere Operation und Bestrahlung an der Rössle-Klinik in Berlin-Buch.

Frühjahr 1977 Veröffentlichung des Buches „Guten Morgen, du Schöne“ in der DDR. Pläne für ein neues Buch:„Männergeschichten“.

Wunsch aufs Land zu ziehen; der Kauf eines Bauernhaus in Mecklenburg-Vorpommern wird erwogen.

Anfang November 1977 Einweisung in die Klinik, nachdem eine Vergrößerung der Leber festgestellt wurde.

In der Nacht vom 20. auf den 21. November 1977 stirbt Maxie Wander.

 

Literatur:

Maxie Wander: Guten Morgen, du Schöne. Frauen in der DDR. Verlag Luchterhand. Darmstadt und Neuwied 1978

Maxie Wander: Leben wär‘ eine prima Alternative. Tagebuchaufzeichnungen und Briefe. Sammlung Luchterhand. Darmstadt und Neuwied 1980

Fred Wander: Das gute Leben. Erinnerungen. Hanser Verlag. München 1996

http://www.literatur.de : Wie jemand versucht, glücklich zu werden.

 


 


 

aus WeiberZeit Nr. 12/Dezember 2006 I www.weibernetz.de/weiberzeit.html
Erscheinungsweise: vierteljährlich

Herausgeberin
Weibernetz e.V. - Projekt „Politische Interessenvertretung behinderter Frauen“
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