Krüppel-Zeitung


Das Meinungsspektrum innerhalb der 'KrüZ' war zunächst breiter, als der radikale Anspruch dies formulierte und vermuten ließ: Es kam jedeR zu Wort, der/die selbst behindert ist und etwas zu sagen (schreiben) hatte. Die Redaktion behält sich jedoch durchweg vor, einem Artikel ggf. einen Kommentar anzufügen.

 

Das Lay-Out der 'KrüZ' war schlicht und chaotisch: Verschiedene Schreibmaschinen-Schriften (mit unterschiedlich hoher drucktechnischer Qualität), in erster Linie handgeschriebene Überschriften, von Zeit zu Zeit ein paar eingefügte Karikaturen bestimmen das Bild. Anders als die Kölner Zeitschrift 'LUFTPUMPE' setzte die 'KrüZ' nicht auf ein professionelles Outfit, sondern auf einen inhaltlich hochwertigen und authentischen, einen der linken 'Alternativpresse' entlehnten Stil. Der Druck (Offset) der 'KrüZ' war von nur mäßiger Qualität, was sicherlich auch an qualitativ mäßigen Vorlagen gelegen haben mag.

 

Basisorientiert schaffte und dokumentierte die 'KrüZ' ein (scheinbar) neues Bewußtsein unter behinderten Menschen: Gerade die Selbstverständnisdiskussionen in der Zeitung, die widerstreitenden Meinungen, der nicht einheitliche, sondern gerade der vielfältige Stil machte die 'KrüZ' unverwechselbar. Hier wurden auch die umstrittenen Texte von Franz Christoph, dem 'enfant terrible' der bundesdeutschen 'Krüppelbewegung' veröffentlicht (einem Gründer der KrüZ', der noch in der ersten Nummer zu den Herausgebern zählte). Die Texte blieben freilich nicht unwidersprochen, sie wurden heftig diskutiert und fanden so ein Echo in der Befindlichkeit der Leserinnen.

 

Inhaltliche Schwerpunkte in der 'KrüZ' wurden a) die Auseinandersetzungen um eine eigene 'Krüppelidentität', b) die Vor- und Nachbereitung von Aktionen der 'Krüppelbewegung und c) die Berichterstattung über die für Behinderte bedrohliche Entwicklung der Humangenetik, der Gentechnologie, der Sterbehilfebewegung und der Sterilisationsdiskussion. Standen die ersten zwei Themenkomplexe der Erscheinungsjahre bis 1982 im Vordergrund, nimmt der Themenkomplex c) ab 1983 einen eindeutigen Schwerpunkt in der Zeitung ein.

 

Bei der 'Suche nach einer eigenen ‚Krüppelidentitat' spielte die Auseinandersetzung mit den durch die Medien produzierten oder/und selbsternannten Vordenkern eine entscheidende Rolle, zum Beispiel die Diskussion um einen von Franz Christoph in den Niederlanden gestellten Antrag auf Asyl.

 

Es wurde aber auch die Auseinandersetzung um Inhalte der neuen und kleinen 'Krüppelbewegung' in der 'KrüZ' dokumentiert. Dabei wird deutlich, daß beide Linien, der Streit um Personen und der Streit um Inhalte, kaum entkoppelbar waren und für die Krüppelzusammenhänge eine wichtige Rolle in der Entwicklung ihrer Positionen darstellte. So formulierte Horst Frehe neben einer Kritik an dem o.g. Asylantrag und der Person Franz Christoph auch eine dezidierte Reflexion der Arbeit innerhalb der Krüppelgruppe Bremen. Hier zeigte Frehe die Probleme, die sich aufgrund unterschiedlicher Sozialisationsveräufe der Beteiligten ergeben, auf und formuliert die Möglichkeiten der Reaktion im Verhalten der Krüppelgruppenzusammenhänge: "Sich ... im Gruppenzusammenhang angreifbar zu machen, halte ich für eine wesentliche Voraussetzung, um zu einer ganz praktischen Solidarität und damit zur Überwindung unserer Unterschiede zu kommen. Die Probleme, die wir dabei miteinander haben, werden in der Gruppe immer wieder thematisiert. Dominanzen von besser ausgebildeten Krüppeln sind nicht von heute auf morgen abzubauen. Aber nur in der Gruppe existiert die Chance, diese Unterschiede auszugleichen und die verschiedenen Fähigkeiten gemeinsam zu nutzen. Vorläufig sehen wir drei Möglichkeiten, die Schwierigkeiten anzugehen: 1. möglichst alle müssen an den wichtigen Auseinandersetzungen teilnehmen, ... 2. immer andere, soweit möglich, nehmen Funktionen für die Gruppe wahr..., 3. das gegenseitige Kennenlernen muß über den Gruppenabend hinaus, der einmal die Woche stattfindet, verstärkt werden, so daß auch Alltagsprobleme nicht nur die jedes einzelnen bleiben." ('KrüZ’ Nr.1/1980, S. 18)